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Corona-Bilanz: Sinnstiftung zwischen Homeoffice, Onlinekonferenzen, Homeschooling, Home socializing, Homesporting und und und ..

Von Elisabeth Linge

Was haben 15 Monate Pandemie mit mir und meinem Sohn gemacht? Manchmal wagte ich es in den letzten Monaten nicht, mir diese Frage zu stellen. Oft wollte ich gar nicht mehr die Gründe dafür suchen, dass ich derart dünnhäutig geworden war und ein dringender Bedarf an Schlaf und Ausgleich mein Leben zu beherrschen schien. Rund um uns herum stand das öffentliche Leben vermeintlich still. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen „dem Außen und dem Innen“ war rational rasch erklärt. Schließlich waren die Schulkinder lange Monate zuhause und bei einem Kind mit Behinderung hatten die Eltern einen zusätzlichen Aufwand. Da sollte es doch klar sein, dass die Belastung wächst und sich die Mutter frei vom schlechten Gewissen machen sollte, nicht allen gewohnten Verpflichtungen in gewohntem Maße nachkommen zu können. Aber dennoch fühlte es sich nach einem ewigen Versagen an. Die Arbeitsstunden richteten sich nach dem Biorhythmus des Nachwuchses, der Haushalt entsprach nicht dem selbstgesetzten Standard, der Sohn verweigerte Mitarbeit und Hausaufgaben, unsinnige Diskussionen schienen den Alltag zu beherrschen. Und täglich grüßt das Murmeltier: Vor allem der Medienkonsum bot immer wieder auf’s Neue Anlass zu Reibereien. Summa Summarum – die Burn Out Falle drohte. Was nun?!?

Wir fanden Schritt für Schritt Lösungen, um uns wieder in Lot zu bringen. Sich bescheiden schärft die Sinne! Es galt, die Stille besonderer Momente zu genießen: „Ausgehen“? Wandern und Fahrradtouren. „Chill & Discover“? Butterbrote futternd Wald, Wiesen und Hängen entdecken. „Einmal um den Block ziehen“? Der Spaziergang zur Mittagpause. „Zum Sport gehen“? In Fitness-Botz und Sportschuhen vor dem Laptop herumspringen. Hinzu gesellte sich eine Brise jammern auf hohem Niveau und ausgiebiges Schlemmen bei ungezügeltem TV-Konsum an einem Abend der Woche.

Mein Sohn durcherlebte beide Male in den Monaten der Schulschließung 2020 und 2021 nicht nur ein emotionales Tief, das sich aus meiner Sicht kaum schönreden ließ. Natürlich ist es für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung gravierend, wenn der Lebensrhythmus auf den Kopf gestellt wird und die gewohnten Routinen wegfallen. Wie viele Schüler*innen war er insbesondere im 1. Lockdown wie abgeschnitten von seinem Freundeskreis, den er zuvor vor allem im schulischen Umfeld gefunden hatte. Im letzten Jahr war er noch nicht in der Lage, die technischen Möglichkeiten moderner Messenger zu nutzen. So war er getrennt von allem, was ihm lieb und teuer war. Man könnte meinen, da gäbe es keinen Ausweg. Er dagegen erfand in diesen Monaten das Lachyoga neu, giggerte, sang und kitzelte sich durch Anspannung, Einsamkeit, Sehnsucht und Langeweile und bewies damit eine Resilienz, die vielen anderen – inklusive mir – vollkommen abging. Und er feierte die Feste wie sie fielen und nutzte jede Gelegenheit zur Begegnung. Bald war er am Basketballfeld jedem Spieler bekannt und warf mit einem Korb zum anderen die schlechte Laune über Bord.

Corona Bilanz
Corona Bilanz

Auch mir wurden die Monate des Lockdowns lang und manchmal langweilig, aber rasch drängte sich mir die Frage auf, wie andere Kinder und Jugendliche mit dieser veränderten Lebenssituation umgingen. Und vor allem: Wie ging es unseren Schüler*innen mit Behinderung? Die schulische Förderung war je nach Lehrerteam in Teilen von zweifelhafter Qualität; der Distanzunterricht beschränkte sich bei vielen auf eine Unmenge an kopierten Arbeitsblättern. Wie soll sich die Elternschaft dazu stellen, dass Schüler*innen lange Monate weder Freunde noch Schulbegleitung sahen? Ich engagierte mich bereits seit einer Dekade als Sprecherin der Förderschulen in der Stadtschulpflegschaft Köln und konnte die Situation der Familien der Förderschüler*innen im April 2020 recherchieren und in einem Arbeitspapier bis ins Ministerium bringen. Nach den kleinen Fortschritten zugunsten der Rechte unserer Kinder, die für jeweils betroffene Familien eine enorme Erleichterung darstellen konnten, ergriff ich im Herbst 2020 die Chance nunmehr im Vorstand der Stadtschulpflegschaft eine Lanze für Bildungsgerechtigkeit zu brechen.

Die Stadtschulpflegschaft versucht auf kommunalpolitischer Ebene für die Anliegen der Kölner Schüler*innen Einfluss zu nehmen - das ist zähe Advocacy-Arbeit. Der Gesundheitsschutz von Schüler*innen und Lehrerschaft war und ist seit Beginn der Pandemie das Arbeitsthema Nr. 1. Für mich persönlich standen die Themen der Inklusion in engerem und weiteren Sinn im Fokus: Dies waren die Benachteiligungen, die Schüler*innen mit sog. „sonderpädagogischem Förderbedarf“ erfuhren und ebenso die Mädchen und Jungen, deren Familien kein optimales Lernumfeld bieten konnten, weil sie in beengten Wohnungen lebten oder es an technischem Equipment und Internetzugang fehlte.

Auch die Folgen der Schulschließungen, der geschlossenen Jugendzentren, Clubs, Musik- und Sportvereine auf die psychosoziale und körperliche Gesundheit der Kinder und Jugendlichen nahm ich mir zum Thema und stellte die Rechercheergebnisse und Lösungsvorschlage im März 2021 der Stadt vor. Doch die Vokabel „psychosozial“ war just von den Fraktion der Coronaleugner gekapert worden, so erhielt ich selbst aus den eigenen Reihen für meine Ideen, den Kindern und Jugendlichen pandemiekonform Begegnung und Sport zu ermöglichen, wenig Rückendeckung. Das war ein Learning in Sachen Kommunalpolitik: Neue Ansätze muss man zu verkaufen wissen.

Corona Bilanz
Corona Bilanz

Die Initiative, die Ferienbetreuung der Förderschüler*innen im gebundenen Ganztag zu verbessern ist noch immer am Ball: Nach erfolglosen Verhandlungen mit der Stadt konnten wir mit einer Elternumfrage nachweisen, wie hoch der Betreuungsbedarf in den Ferien ist, insbesondere der Kinder und Jugendliche mit kognitiver oder körperlich-motorischer Beeinträchtigung. Auch Schulleitungen und Mitarbeiter der Stadt setzten sich für unsere Sache ein, die letzten Endes an den engen Vorgaben der gesetzlichen Bestimmungen zu scheitern drohte. Nun wird im Herbst, wenn alles hinhaut, eine Ferienmaßnahme an einer Förderschule stattfinden. Das Engagement für die Nachbesserung der zugrunde liegenden Landesverordnungen wird mich noch weiter begleiten, wenngleich meine kleine Familie davon nicht mehr profitieren wird.

Persönlich sehen wir positiv in die Zukunft: Mein Sohn hat die Schule abgeschlossen und startet im Herbst bei Projekt Router. Seine Freundschaften pflegt er mit gemeinsamen Basketballsessions im Park und dem Austausch von Unmengen an WhatsApp Nachrichten an die Schulfreunde. Ich genieße neugewonnene Freiheiten und Begegnungen „in analog“. Für die Inklusion und soziale Fragen halte ich weiterhin das Fähnchen hoch und erarbeite aktuell ein inklusives Projekt für Kinder und Jugendliche. Wir haben in der Krise viele Federn gelassen, aber die Krönchen gerichtet und weitergemacht, am Wochenende wird immer noch viel gewandert und getourt, immer nach dem Motto: „Lieber im Friesennerz vor die Hütte als zuhause in vollem Glanz verstaubt.

Über die Arbeit der Stadtschulpflegschaft erfahren Sie mehr auf der Homepage stadtschulpflegschaft-koeln.de

Wenn Sie an dem neuen Projekt von Frau Linge interessiert sind, nehmen Sie direkt Kontakt mit ihr auf: lsbthlnggmxd

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