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Die Verlierer im System

Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Pflegebedarf

Kommentar von Matthias Toetz, Geschäftsführer Lebenshilfe Köln e.V.

Kurz und einfach

Dieser Artikel ist von Matthias Toetz. Er ist Geschäftsführer bei der Lebenshilfe Köln. In dem Artikel geht es um Wohnmöglichkeiten für Menschen, die im Alltag viel Pflege brauchen. Diese Menschen leben häufig in großen Wohneinrichtungen. Warum ist das so? Weil es in den meisten Angeboten im Betreuten Wohnen keine Pflege gibt. Matthias Toetz sagt: Das ist nicht richtig. Denn kein Mensch darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Der Anspruch des Gesetzgebers, mit dem neuen Bundesteilhabegesetz dafür zu sorgen, dass die Leistungen im Wohnen künftig personenzentriert und nicht mehr einrichtungsbezogen erfolgen, ist
(bisher) gescheitert. Der oft beschworene Paradigmenwechsel, mit dem Bundesteilhabegesetz würde die Unterscheidung zwischen ambulanten und stationären Leistungen aufgegeben, steht im krassen Widerspruch zur Lebenswirklichkeit insbesondere von Menschen mit einem hohen Unterstützungs-/ Pflegbedarf.

Wer früher in einem stationären Wohnheim lebte, lebt heute in einer besonderen Wohnform – mit weitreichenden negativen rechtlichen Konsequenzen. Denn nach wie vor werden die Pflegeleistungen mit einem Pauschalbetrag von nur 266 Euro pro Monat abgegolten.

Im Frühjahr haben wir Sie daher aufgefordert, die Petition „Abschaffung des § 43a des SGB XI“ zu unterstützen. Alle Menschen mit Behinderung sollen einen gleichberechtigten und uneingeschränkten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung haben, unabhängig davon, in welcher Wohnform sie leben! Der Paragraf verstößt nach einhelliger Meinung vieler Experten massiv gegen einige Grundrechte, die in unserem Grundgesetz festgeschrieben sind – hier wäre als ein Beispiel nur der Art. 3 Abs. 3 zu nennen (niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden). 

Aber auch in ambulant betreuten Wohnangeboten werden Menschen mit einem hohen Pflegebedarf benachteiligt. Denn während in den besonderen Wohnformen die Pflege im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden können, sind sie beim selbständigen Wohnen Leistungen der Pflegekasse. Die für Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Assistenz-/ Pflegebedarf im Wohnalltag oftmals unabdingbaren „Hilfen aus einer Hand“, die von nur einem Mitarbeiter:innenteam erbracht werden, sind also leider im ambulanten Setting nicht vorgesehen.

Die Folgen dieser strukturellen Ungleichbehandlung in der Eingliederungshilfe sind im Alltag für die Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen oft mehr als fatal.

Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Pflegebedarf
Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung und hohem Pflegebedarf

Während Menschen mit Behinderung und niedrigem Unterstützungsbedarf in kleinen ambulanten Wohngemeinschaften leben, ziehen Menschen mit Behinderung und hohem Unterstützungsbedarf weiterhin in der Regel in große stationäre Wohnheime (besondere Wohnformen). Grundgesetz, UN-Behindertenrechtskonventionen, neues BTHG, Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung – alle berechtigten Ansprüche und Rechte haben keine Chance gegen die traditionelle Trennung der Leistungen von Pflege und Eingliederungshilfe. 

Die Haltung der Träger der Wohnheime bringt Professor Dr. Rohrmann (Uni Siegen) in einem Artikel der Sozialwirtschaft 02/2022 auf den Punkt: „Die Verhandlungen über besondere Wohnformen sind eher von Fragen der auskömmlichen Finanzierung geprägt als von der Absicht ihrer Überwindung“.

Der Leistungsanbieter Landschaftsverband Rheinland kann nicht, die Leistungserbringer/ die
Träger wollen nicht (bzw. wollen das alte System erhalten), das führt zu einem beschämenden Stillstand, der die Menschen mit Behinderung und hohem Hilfebedarf zu Verlierern macht.

Was tun?

Die Lebenshilfe Köln versucht seit Jahren, gegen diesen Stillstand anzugehen – mit immer neuen (kleinen) Wohnprojekten, auch für Menschen mit einem hohen Pflegegrad.

Der Schlüssel zum Erfolg ist eine Kooperation mit einem externen Pflegedienst. Unsere Mitarbeiter:innen sind zeitgleich Mitarbeiter:innen des Pflegedienstes. Im Alltag ist das für die Menschen mit Behinderung sehr entspannt. Der/die gleiche Mitarbeiter:in kann – nach eigenem situativen Empfinden oder nach Aufforderung des Menschen mit Behinderung – eine Pflegeleistung anbieten oder eine pädagogische (Fach-) Assistenz. 

Jedoch ist der administrative Aufwand für alle Beteiligten enorm:

  • Die Mitarbeiter:innen haben u.a. zwei Arbeitgeber, müssen zwei Dokumentationssysteme nutzen und sich mit drei verschiedenen Aufsichtsbehörden abstimmen.
  • Die gesetzlichen Betreuer:innen müssen einen Miet- und Betreuungsvertrag abschließen und eine Vereinbarung mit dem Pflegedienst treffen.
  • Wir als Träger müssen den Dienst- und Einsatzplan übernehmen - inklusive der fachlichen Aufteilung und Abrechnung der Assistenzleistungen, müssen die Schnittstelle zum Pflegedienst organisieren, müssen die pädagogischen und die pflegerischen Teams synchronisieren, für die pädagogischen Mitarbeiter:innen pflegerische Zusatzqualifikationen anbieten usw.
Das Konzept verlangt eine sehr passgenaue Planung und erfordert insgesamt einen deutlich höheren Personaleinsatz in der Organisation und Verwaltung, der an keiner Stelle refinanziert ist.

Doch das Ergebnis – die individuelle Lebensqualität im Wohnen auch für Menschen mit einem hohen Pflegebedarf – ist der Gewinn und auch ein erheblicher Mehrwert für uns als Lebenshilfe Köln.

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